Header-Grafik

Aktueller Fall April / Mai 2014

Wiederkehrende Fruchtbarkeitsprobleme in einer Sauenherde
Dr. Reinhold Heggemann Praxis für tierärztliche Bestandsbetreuung und Qualitätssicherung im Erzeugerbetrieb Schwein, 25782 Tellingstedt

Der Bestand 
Heute stellen wir ihnen ein Sauenbetrieb mit 500 Sauen vor, der die abgesetzten Ferkel und die angeschlossene Mast auf einem zweiten Standort betreibt. Die Sauenherde zeigte im letzten Wirtschaftsjahr 2012/2013 mit 29,8 abgesetzten Ferkeln/Sau/Jahr eine gute Leistung.
Die Aborte lagen bei 0,1 % und die Umrauschrate bei niedrigen 4,7 %.

Im letzten halben Jahr verschlechterten sich diese Parameter allerdings deutlich, so dass sowohl die Abort- als auch die Umrauschrate sich im Durchschnitt mehr als verdoppelte. In einzelnen Belegegruppen stieg die Umrauschrate auf deutlich über 25%. Die Sauenherde wird produktionsbezogen im Abferkelstall gegen PRRS und Rotlauf/Parvo, sowie bestandsweise gegen Influenza geimpft; die Saugferkel erhalten eine Standartimpfung gegen Mycoplasmen und Circovirus.
Jungsauen erhält der Betrieb alle drei Monate altersgestaffelt aus einem PRRS- freien Bestand.

 
Der Fall 
In dem Betrieb abortierten unlängst zwei Sauen und der bestandsbetreuende Tierarzt hatte von diesen beiden Sauen sowohl Abortmaterial als auch die Sauen selber auf typische Aborterreger wie Leptospiren, Chlamydien, Influenza, Parovovirus, PRRS (3 verschiedene Stämme) und auch auf Circovirus untersuchen lassen; allesamt mit negativem Ergebnis.

Die beiden Sauen zeigten darüber hinaus in der Blutprobe Antikörper, die auf eine alte Circoinfektion hindeuteten, sowie niedrige positive Titer auf PRRS (0,7 und 1,5) und Influenza (1:160 bis 1:320). Dieser Befund wurde mit der Impfung gegen PRRS und Influenza erklärt. Eine durchgeführte Bestandsmedikation brachte keinen langfristigen, durchschlagenden Erfog. Eine ältere Futteruntersuchung auf Mycotoxine ergab keine Auffälligkeiten. 
 

Die Untersuchung
Zunächst wurde ein ausführliches Gespräch über die Probleme geführt und die Belegedaten des letzten halben Jahres aus dem Stallbuch analysiert.
Das Gespräch und die Belegedaten, sowie Umrauschquoten zeigten eine auffällige Wiederholung der Probleme. In einem relativ festen Rhythmus von drei Monaten liefen immer wieder Wellen mit deutlich erhöhten Umrauschern von bis zu 30% durch den Betrieb. Aborte fanden zu allen Zeiten immer mal wieder, aber nur sporadisch statt, eine zeitlich begrenzte Häufung von Aborten war nicht feststellbar.

Der Landwirt berichtete darüber hinaus, dass „immer wenn es im Sauenstall nicht läuft, auch im (örtlich getrennten) Flatdeck und/oder in der Mast Probleme auftreten“. Auf detaillierte Nachfrage, wie denn die Impfungen durchgeführt werden, führte der Landwirt aus, dass die Sauen gegen Parvo/Rotlauf und PRRS produktionsbezogen geimpft werden und die beiden Impfstoffe in einer Mischspritze verabreicht würden. Die Influenza Impfung hingegen würde alle 4 Monate als Bestandsimpfung durchgeführt. Die Jungsauen erhielten in der Quarantäne eine einmalige Impfung gegen PRRS und eine zweimalige Impfung gegen Influenza.

Bei dem durchgeführten Besuch wurden daraufhin von 25 Sauen aus allen Altersgruppen Blutproben entnommen und von 5 auffälligen Sauen (Aborte, Umrauscher) Tupfer aus dem Gebärmutterhals (Zervixtupfer) gezogen. Folgende Untersuchungen sollten aus den Proben durchgeführt werden:

1-  Zervixtupfer: Direktnachweis (PCR) von Chlamydien und Leptospiren

2-  Sauenblutproben: Antikörpernachweis auf Chlamydien und Leptospiren (5 Proben) und aus allen Proben Antikörpernachweis auf Circo, PRRS und Influenza.


Die Ergebnisse 
Die Untersuchung der Zervixtupfer auf Chlamydien und Leptospiren erbrachte keinen Nachweis.
Die Ergebnisse der Sauenblutproben sind der Übersicht wegen tabellarisch dargestellt:

  Wurf Nr.
Sau
Chlamydien Leptospirose Circo (PCV-2) PRRS
(ab 0,4 positiv)
Influenza
panH1N1
1 Jungsau     Alte Infektion 0,82 < 20
2 Jungsau     Alte Infektion 1,41 < 20
3 Jungsau Negativ Negativ Alte Infektion 1,01 < 20
4 Jungsau     Alte Infektion 1,06 < 20
5 1     Alte Infektion 2,05 < 20
6 1     Alte Infektion 1,56 < 20
7 1     Alte Infektion 1,28 < 20
8 1     Alte Infektion 0,90 < 20
9 2     Alte Infektion 0,75 < 20
10 2 Negativ Negativ Alte Infektion 1,63 < 20
11 5     Alte Infektion 2,30 < 20
12 3     Alte Infektion 4,82 < 20
13 4     Alte Infektion 3,75 < 20
14 4     Alte Infektion 1,80 < 20
15 4 Negativ Negativ Alte Infektion 2,78 < 20
16 7     Alte Infektion 0,95 < 20
17 6     Negativ 3,45 < 20
18 6     Alte Infektion 2,78 < 20
19 6 Negativ Negativ Alte Infektion 1,69 < 20
20 6     Alte Infektion 3,64 < 20
21 6     Alte Infektion 2,98 < 20
22 10     Negativ 2,37 < 20
23 2 Negativ Negativ Alte Infektion 4,65 < 20
24 3     Alte Infektion 3,73 < 20
25 3     Alte Infektion 2,61 < 20
Auch die Blutprobenergebnisse ergaben keinerlei Hinweis auf eine Beteiligung von Chlamydien oder Leptospiren am geschilderten Geschehen, sodass eine Chlamydien-/Leptospireninfektion sicher ausgeschlossen werden konnte.

Die Influenzatiter auf den pandemischen Typ H1N1, der bekannt ist, Fruchtbarkeitsstörungen hervorrufen zu können, waren ausnahmslos unter 20 und damit negativ, so dass auch hier eine ursächliche Beteiligung ausgeschlossen werden konnte, zumal auch ein wirksamer Impfschutz unterstellt werden kann.

Ganz anders präsentierten sich dagegen die Titer auf PRRS, die durchgängig positiv und auch mehrfach recht hoch waren; ein Ergebnis, dass man so in einer mehrfach geimpften Herde eher nicht erwarten würde.
Vor dem Hintergrund, dass der PRRS Impfstoff (Lebendimpfstoff!) in einer Mischspritze verabreicht wurde, kam der Verdacht auf, dass die Sauen trotz PRRS-Impfung keinen ausreichenden Schutz gegen PRRS hatten. Die produktionsbezogene Impfung im Abferkelstall bewirkte zudem einen uneinheitlichen Immunstatus der Sauenherde, der sich noch durch die Tatsache der zeitweise deutlich erhöhten Umrauscher verschärfte, da diese Sauen dann verspätet wieder im Abferkelstall standen und sich damit das Zwischenintervall der Impfungen in einigen Sauengruppen deutlich erhöhte.

Die Titer gegen Circovirus spiegelten fast durchgängig eine alte Infektion wider (IgG Antikörper positiv), wobei aber auch 2 Sauen gefunden wurden, die überhaupt keine Antikörper und somit auch keinen Schutz gegen Circovirus aufwiesen.


Weiteres Vorgehen
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurden folgende Maßnahmen besprochen:

- Zweimalige Impfung der Jungsauen in der Quarantäne gegen PRRS und Circovirus.
- PRRS Impfung der Bestandssauen als Bestandsimpfung. Keine Verabreichung in einer Mischspritze.
- Bestandsimpfung der Sauen gegen Circovirus im Abstand von 4 Monaten.
- Ergänzende Beprobung der abgesetzten Ferkel und der Mast auf PRRS durch den Hoftierarzt.

Die Untersuchung der Ferkel und Masttiere auf PRRS ergab eine vollständige PRRS Infektion eines Mastabteiles mit Titern von 1,3 bis 1,9, wohingegen zwei andere beprobte Mastabteile komplett frei von PRRS waren. Die Ferkelaufzucht präsentierte sich ebenfalls frei von PRRS.

- Aufgrund der Beprobungsergebnisse in der Mast kann eine zeitlich befristete Impfung der Ferkel gegen PRRS bis zur Stabilisierung der Sauenherde sinnvoll sein.
    
 
Diskussion 
Aufgrund des detaillierten Gespräches und Hinterfragung der durchgeführten Maßnahmen kam schnell der Verdacht auf, dass sich in der Sauenherde immunsuppressive Vorgänge abspielen, die immer wieder deutliche Fruchtbarkeitsstörungen verursachen. Letztendlich konnte das auch durch die Untersuchung dokumentiert werden. Durch den inkompletten Impfschutz gegen PRRS und eine möglicherweise zusätzlich immer periodisch wiederkehrende Belastung des Immunsystems durch PRRS- und Circoviren werden die „Wellen“ der Fruchtbarkeitsstörungen erklärbar. Bei dem hier eingesetzten PRRS- Impfstoff handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, der nach Auflösung einem kontinuierlichen Wirkungsverlust unterliegt; der Grund dafür, dass der Impfstoff mit einem separaten Lösungsmittel geliefert wird und nach dem Auflösen sofort verbraucht werden soll. Bei der Verabreichung in einer Mischspritze kommt der Lebendimpfstoff mit einem anderen Impfstoff in Kontakt, der unter Umständen schädliche, inaktivierende Substanzen enthält und somit den Lebendimpfstoff zerstört oder teilweise inaktiviert. Im konkreten Fall wurde der PRRS-Impfstoff mit einem Rotlauf/Parvo Impfstoff gemischt, der u.a. Formaldehyd als Konservierungsmittel und auch Simethicon als Schaumbrecher, sowie Emulgatoren und Puffersubstanzen enthält. Zumindest Formaldehyd und Simethicon sind bekannt, negative Wechselwirkungen mit anderen Impfstoffen eingehen zu können und somit den Impferfolg in Frage zu stellen. Diese Substanzen sind nicht nur in der Lage lebende Erreger, wie sie nun mal in einem Lebendimpfstoff vorhanden sind zu inaktivieren, sondern Simethicon bewirkt durch die oberflächenaktiven Eigenschaften möglicherweise auch eine schlechtere Aufnahme des Impfstoffes aus dem Gewebe. Nachgewiesenermaßen ist bei einer Verabreichung in einer Mischspritze auch der Wirkungsverlust deutlich schneller, als bei der Einzelverabreichung.
Auch die hinter den Produkten stehenden Pharmafirmen, die früher teilweise ein Mischen von bestimmten Impfstoffen propagiert haben, sind mittlerweile mit aller Deutlichkeit von ihren Empfehlungen abgerückt.








Bei der Vielzahl der durchzuführenden Impfungen ist die Neigung zum Mischen groß.
Doch Vorsicht: Nicht alle Impfstoffe sind untereinander mischbar!
Die jeweiligen Zulassungen sollten unbedingt beachtet werden.



Durch den inkompletten Impfschutz der Sauenherde gegen PRRS war hier eine hohe periodische Ausscheidung von PRRS-Viren möglich, die dann auch phasenweise Ferkelgruppen mit PRRS infiziert haben. Dies konnte durch die Untersuchung in der Mast demonstriert werden und deckt sich auch mit den klinischen Beobachtungen des Landwirtes.

Inwieweit Circoinfektionen in Sauenherden eine klinische Rolle spielen, ist zurzeit nicht vollständig untersucht. Üblich ist ja bekanntlich die fast flächendeckende Impfung der Ferkel gegen Circo, ob im Einzelfall auch eine Impfung von Sauen sinnvoll ist, sollte zumindest im Einzelfall mit in die Überlegungen einbezogen werden. In schweinedichten Regionen ist die regelmäßige Circoimpfung auch von Sauenherden zumindest regional durchaus üblich.

Eine besondere Rolle in diesem Betrieb spielen außerdem die Jungsauen, die wie eingangs erwähnt, aus einem PRRS-freien Vermehrungsbetrieb stammen. Hier sollte immer eine Doppelimpfung gegen PRRS durchgeführt werden, um einen sicheren, belastbaren Immunschutz zu induzieren.

Die Empfehlung nicht mehr produktionsbezogen, sondern bestandsweise zu impfen, erfolgte vor dem Hintergrund, dass gerade hier die Sauengruppen durch das periodische Umrauschgeschehen auseinandergerissen wurden und somit ein weiterer Baustein für einen inhomogenen Impfschutz der Sauenherde vorhanden war.

zurück zur Übersicht